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„Arm ist nicht, wer wenig hat, sondern wer sich mehr wünscht.“ Mit diesem dem römischen Philosophen Seneca zugeschriebenen Zitat lässt der kanadische Umweltjournalist James Bernard MacKinnon sein Buch „Der Tag, an dem wir aufhören zu shoppen“ beginnen.
Facettenreich und spannend beschreibt er, was passieren könnte, würden sich die Menschen wohlhabender Länder mit weniger zufriedengeben. Das Buch bietet eine Fülle interessanter Informationen und Hintergründe – und man wünscht sich so manches Mal, es würde zur Pflichtlektüre für die Bürger reicher Nationen.
Die Welt hängt in einer schlimmen Spirale fest: Ihre Volkswirtschaften hängen vom Konsum ab – doch der Konsum erhöht die Kohlendioxidemissionen. „Der Zusammenhang ist derart eng, dass Klimaforscher seit langem ein Wachstum des einen Phänomens als Indikator für ein Wachstum des anderen heranziehen“, erläutert MacKinnon. „Beschleunigt sich der Modezyklus, so beschleunigt sich der Klimawandel; schrumpft das Weihnachtsgeschäft, so gelangen weniger CO2-Moleküle in die Atmosphäre.“
Regierungen und Unternehmen orientierten sich an der Vorstellung, die gesamte Wirtschaft von Textilfabriken bis Massentourismus könne von der Schädigung der Umwelt abgekoppelt werden, schreibt MacKinnon. Es gebe den Glauben, Technologie könne den Klimawandel aufhalten, ohne dass wir unseren Lebensstil erheblich ändern müssten. „Dies ist der heilige Gral, der als „grünes Wachstum“ bezeichnet wird: eine endlos wachsende Wirtschaft, welche die Umwelt nicht schädigt.“ Anhand vieler Beispiele und Expertengespräche erläutert MacKinnon, warum das sehr wahrscheinlich ein Irrglaube ist.
Wichtig zu wissen sei zunächst, dass ein geringes oder überhaupt kein Wirtschaftswachstum über die gesamte Menschheitsgeschichte hinweg die Norm war. „Von der grauen Vorzeit bis ins 18. Jahrhundert wuchs die Weltwirtschaft sehr langsam – wahrscheinlich mit einer Rate von etwa 0,1 Prozent pro Jahr. Und dieses Wirtschaftswachstum war fast zur Gänze einem graduellen Bevölkerungsanstieg zu verdanken.“ Vor 1800 sei ein Mensch meist mit etwa derselben Menge an Besitztümern durchs Leben gegangen wie seine Eltern, Großeltern und Urgroßeltern, viele dieser Dinge wie die Kleidung seien von Generation zu Generation weitergegeben worden. Erst nach der industriellen Revolution sei die Konsumökonomie geboren worden.
Noch vor hundert Jahren war es üblich, dass ein Mann im selben Anzug „verheiratet und beerdigt“ wurde und dass eine Frau von ihrer Mutter und ihren Großmüttern geerbte Kleidung trug, wie es im Buch heißt. Inzwischen werde jedes Jahr ein 50 Millionen Tonnen schwerer Berg aus neuen Textilien angehäuft. Wäre der Bekleidungsmarkt ein Land, nähme er den 15. Rang unter den großen Volkswirtschaften ein, die Zahl der Erwerbstätigen dort entspreche etwa der Bevölkerung der USA.
Was würde geschehen, würden sich die Menschen plötzlich tatsächlich mit weniger zufriedengeben? „Nehmen wir an, die Welt hört eines Tages tatsächlich auf, einkaufen zu gehen. Genau dieses Gedankenexperiment ist der Gegenstand des vorliegenden Buches.“ Allein die Halbierung des Absatzes der Firma Levi’s würde demnach rund 1,25 Millionen Menschen zunächst ihres Einkommens berauben. Immens wären die Folgen des Verzichts aber auch für das Klima: „Würde die weltweite Textilproduktion für ein Jahr eingestellt, so bewirkte dies genauso viel wie ein Stopp des gesamten internationalen Flugverkehrs und der Güterbeförderung auf dem Seeweg für den gleichen Zeitraum.“
MacKinnon geht ausführlich der Frage nach, ob wie von vielen Ökonomen befürchtet tatsächlich implodierende Märkte, Massenarbeitslosigkeit, verwaiste Ladenstraßen, zerbrochene Lieferketten und „vielleicht sogar eine Herrschaft des Mobs und Hungersnöte“ die unvermeidliche Folge von Konsumverzicht sein würden. Gemeinsam mit dem Ökonomen Peter Victor versucht er zu klären, ob eine kaum wachsende oder gar schrumpfende Volkswirtschaft ein überlebensfähiges System sein kann.
Die vorgestellten Modellrechnungen kommen zu dem Ergebnis, dass sich Massenarbeitslosigkeit als potenzielle Folge von Konsumverzicht dadurch verhindern lässt, dass die verbleibende Arbeit auf möglichst viele Menschen verteilt wird. Die wöchentliche Arbeitszeit könnte von fünf auf vier Tage verkürzt werden. Auch ein Umschwenken auf aufwendiger zu produzierende, aber dafür viel länger haltbare Produkte wäre demnach eine Maßnahme.
Generell ist die geplante Obsoleszenz ein wichtiger Punkt, wie MacKinnon anhand von Beispielen wie Glühbirne und Drucker verdeutlicht. Darunter werden die gezielten Bemühungen der Hersteller verstanden, Geräte und andere Produkte so zu entwickeln, dass sie schnell verbraucht sind und erneut gekauft werden müssen, nicht reparabel sind oder Trends unterliegen und schnell aus der Mode kommen.
Der Kunde von heute wolle möglichst billige Dinge kaufen – niemand wolle 5.000 oder 10.000 Dollar für ein zehn Jahre haltendes Handy ausgeben. Die für Umwelt und Klima wesentlich vernünftigere Wahl seien aber langlebige Produkte, eine Ökonomie von weniger Dingen, die dafür besser sind. Zum einen werde so viel Müll vermieden, Ressourcen würden geschont. Und wegen des höheren Preises werde insgesamt weniger gekauft. (dpa/Annett Stein/dh)

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