Ein Metzger in den 30er Jahren in seinem Laden. Nach dem Austritt aus der EU wollen die Briten zu imperialen Maßeinheiten zurückkehren.
Großbritannien will EU-Vorschriften für metrische Maßeinheiten abschaffen. Die Regierung feiert die Rückkehr zum imperialen System.
Von .css-viqvuv{border-bottom:1px solid #29293a;-webkit-text-decoration:none;text-decoration:none;-webkit-transition:border-bottom 150ms ease-in-out;transition:border-bottom 150ms ease-in-out;}.css-viqvuv:hover{border-bottom-color:transparent;}Alexander Mühlauer, London
So manche Anhänger des Brexits waren zuletzt etwas ungeduldig geworden. Sie wollten von Boris Johnson wissen, wann sich die Vorzüge des EU-Austritts endlich im Alltag bemerkbar machen. Schließlich hatte der Premierminister nicht weniger als die Rückkehr verloren geglaubter Freiheiten versprochen. Nun hat das Warten ein Ende: Die britische Regierung hat eine Liste mit Vorhaben veröffentlicht, die im Lager der Brexiteers für Jubel sorgt.
Mit am meisten Applaus gibt es für den Plan, EU-Vorschriften für Maßeinheiten abzuschaffen. Künftig soll es in britischen Geschäften wieder erlaubt sein, Waren nur noch in Pfund und Unze auszuzeichnen. Unter EU-Regeln war das nicht erlaubt, es musste zugleich das Gewicht in Gramm beziehungsweise Kilogramm angegeben werden. Den Brexiteers war dieses „metrische Martyrium“ schon lange zuwider. Mit der Rückkehr zum imperialen System, das an die Glanzzeit des britischen Empire erinnert, will sich die Regierung einmal mehr vom Kontinent abgrenzen.
Lebensmittelhändler Steven Thoburn (rechts) bekam 2001 eine Geldstrafe, weil er sich weigerte, das Gewicht von Waren in Kilogramm anzugeben.
Wie groß dieses Bedürfnis ist, zeigt ein Blick in die konservativen Zeitungen vom Freitag. Da erinnern nicht nur Times und Daily Telegraph an die Geschichte des Obst- und Gemüsehändlers Steven Thoburn, der im Jahr 2001 zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, weil er Bananen im Wert von 34 Pence nicht in Kilogramm angegeben hatte. Der Richter formulierte damals einen Satz, der sich wie die Warnung eines Brexiteers liest: „Solange dieses Land ein Mitglied der Europäischen Union bleibt, unterliegen die Gesetze dieses Landes der Doktrin des Gemeinschaftsrechts.“
Im Brexit-Lager gilt der Fall Thoburn als eine Art Startschuss für die Leave-Kampagne. Auch Boris Johnson konnte sich herrlich über das Urteil aufregen. Als Chefredakteur der konservativen Zeitschrift Spectator schrieb er damals: „Warum zwingen wir die Briten, die Maße Napoleons zu verwenden, wenn das imperiale System in Amerika, der erfolgreichsten Wirtschaft der Welt, überlebt und gedeiht?“
Nun gilt im Vereinigten Königreich also bald wieder: Unze statt Gramm. Die Frage ist allerdings, inwieweit sich das überhaupt durchsetzen lässt. Ein Leser der Times wies wohl nicht Unrecht darauf hin, dass das imperiale System „niemand kennt, der seit den 1970ern die Schule verlassen hat“. Vor allem die Maßeinheit Unze begegnet einem im Alltag so gut wie überhaupt nicht.
Die geplante Gesetzesänderung soll laut Regierung „zu gegebener Zeit“ erfolgen. Doch schon jetzt warnen Verbraucherschützer vor einem Durcheinander bei den Maßeinheiten. Andererseits ist man ja in Großbritannien an ein gewisses Hin und Her durchaus gewohnt. So tankt man etwa einen Liter Benzin, kauft aber nicht einen Liter Milch, sondern zwei Pints, was wiederum 1,14 Liter enspricht.
So manche britische Besonderheit überdauerte auch die EU-Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs. Großbritannien hielt etwa selbstverständlich daran fest, die Entfernungen auf Straßen in Meilen und Yards anzugeben. Und in der Corona-Pandemie, wohl gemerkt nach dem Brexit, kam niemand auf die Idee, die Zwei-Meter-Abstand-Regel durch eine Fuß-Inch-Variante zu ersetzen, obwohl es durchaus üblich ist, die eigene Körpergröße in diesen Maßeinheiten anzugeben.
Wenn es so etwas wie eine schier immerwährende Konstante gibt, dann ist es wohl das Pint, das man im Pub bestellt. Diese Maßeinheit hat die EU-Mitgliedschaft überdauert, anders als die sogenannte Crown Stamp auf den Biergläsern. Diese galt über Jahrhunderte als Beleg für die korrekte Eichung der Gefäße, wurde aber 2007 vom EU-weit einheitlichen CE-Zeichen verdrängt. Nun darf die königliche Krone wieder auf die Biergläser zurückkehren.
Der Daily Telegraph nannte die Crown Stamp am Freitag einen „Eckpfeiler des britischen Lebens“. Zwei Weltkriege und das Zerbröckeln des Empire habe sie überlebt, doch gegen Brüssel habe sie keine Chance gehabt. Immerhin diese Schmach dürfte nun bald überwunden sein.
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