Für die Industrie ist das Glas halbvoll – und halbleer: gute Bestelllage – große Lieferprobleme.
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Bei den deutschen Unternehmen werden mit Blick auf Herbst und Winter die Sorgenfalten tiefer. Matrialengpässe und steigende Infektionszahlen schlagen auf die Stimmung. Vor besonders schweren Tagen sehen sich Gastronomie und Tourismus.
Lieferengpässe und steigende Corona-Zahlen trüben die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Unternehmen verstärkt ein. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank im August um 1,3 auf 99,4 Punkte, kräftiger als erwartet und zugleich den zweiten Monat in Folge, wie das Münchner Institut zur Umfrage unter rund 9000 Managern mitteilte. "Insbesondere im Gastgewerbe und im Tourismus wachsen die Sorgen", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest.
Wegen des Materialmangels und steigender Kosten wollen viele Firmen ihrerseits die Preise erhöhen. Dies gilt etwa für Industrie, Einzelhandel und Bau. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sieht die deutsche Wirtschaft bei der Erholung von der Corona-Krise dennoch auf Kurs.
Die Manager beurteilen ihre Lage zwar etwas besser als zuletzt, bewerten ihre Geschäftsaussichten jedoch deutlich skeptischer. Die Stimmung in der Industrie verschlechterte sich trotz gut laufender Geschäfte spürbar. "Der Ausblick auf die kommenden Monate erlitt einen deutlichen Rückschlag", betonte Fuest. "Rund 70 Prozent der Industriebetriebe klagen inzwischen über Engpässe bei Vorprodukten", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Besonders Halbleiter, Metalle und Kunststoffe seien knapp.
Für die Industrie sei das Glas zurzeit halb voll und halb leer, sagte Präsident Siegfried Russwurm vom Industrieverband BDI: gute Auftragseingänge, aber Schwierigkeiten bei den Auslieferungen. "Wir sind felsenfest überzeugt, dass sich der Knoten lösen wird." Die Corona-Pandemie sorge aber immer wieder für Probleme, etwa durch geschlossene Häfen in China. "Die Lage bleibt fragil", sagte Russwurm. Bis zum Jahresende könne die Wirtschaft aber ihr Vorkrisenniveau wieder erreichen.
Nach einem Exportplus von 19 Prozent im ersten Halbjahr spüren die deutschen Außenhändler Gegenwind im wichtigen China-Geschäft: Die Ausfuhren dorthin sanken im Juli um 3,9 Prozent binnen Jahresfrist auf 8,4 Milliarden Euro. Das war der erste Rückgang seit August 2020 und das größte Minus seit Mai 2020. "In der Corona-Krise war China bislang die Konjunkturlokomotive der Welt – und auch der deutschen Exportwirtschaft", sagte Außenwirtschaftschef Volker Treier vom Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK).
Nun aber sorgten Transportprobleme im Schiffsverkehr und Engpässe bei Materialien für Störungen in den Lieferketten. "Mit Blick auf das Restjahr 2021 erhöht aber die abflachende Konjunktur in China die Sorgenfalten der international ausgerichteten deutschen Wirtschaft."
DekaBank-Chefökonom Ulrich Kater geht davon aus, dass der "Hochpunkt der Konjunkturrallye" im laufenden dritten Quartal erreicht werden dürfte. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer rechnet damit, dass die deutsche Wirtschaft im Schlussquartal 2021 kaum noch wächst: "Wir erwarten nur ein mageres Plus von 0,2 Prozent." Nach dem Schrumpfen um 2,0 Prozent Anfang 2021 war die Wirtschaft im Frühjahr um 1,6 Prozent gewachsen.
Derweil haben steigende Infektionszahlen die Erwartungen im Gastgewerbe und Tourismus praktisch einbrechen lassen, sagte Ifo-Fachmann Wohlrabe. "Der Optimismus der vergangenen Wochen ist hier komplett weg." So habe sich im Dienstleistungssektor insgesamt und auch im Handel die Stimmung eingetrübt. Im Bauhauptgewerbe stieg der Ifo-Index hingegen. Die Betriebe waren etwas zufriedener mit den laufenden Geschäften und blickten zuversichtlicher nach vorn als zuletzt.
"Wegen der Probleme in der Materialbeschaffung und deutlichen Preiserhöhungen beim Einkauf bleiben die Aussichten in den nächsten Monaten gedämpft", sagte allerdings Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa vom Bauverband ZDB. "Die Bauunternehmen werden nicht umhinkommen, die Baupreise entsprechend weiter anzupassen." Wohlrabe sieht hier eine breite Entwicklung: "Die Preiserhöhungen pflanzen sich quer durch die deutsche Wirtschaft fort." Laut Altmaier dürften sich jedoch einige der dämpfenden Faktoren aus dem ersten Halbjahr – wie Mangel bei Holz und Halbleitern, Kunststoffen und andere Produkten – "einpendeln" und das Wachstum weniger bremsen.
Quelle: ntv.de, jwu/rts